Meine persönlichen Prog-Favoriten

Wer meine Autobiografie gelesen hat, deiß, wie wichtig die progressive Rockmusik für mich ist. Eine Zeit lang war sie meine Überlebensstrategie, um mich wegzubeamen und die kranken Gedanken in meinem Hirn zu übertönen. Daraus ist eine Leidenschaft geworden, die bis heute anhält.

Höchste Zeit also, um meine persönlichen „Top 50“ zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich um 50 Prog-Werke, die allesamt in diesem Jahrhundert veröffentlicht wurden (die alten Klassiker von Yes, King Crimson oder Jethro Tull fehlen also in dieser Liste).

Die Reihenfolge stellt in der Tat auch eine Rangfolge dar, wobei mir die einzelnen Platzierungen schon sehr schwer gefallen sind – manche Positionen sind da sicherlich austauschbar (je nach Stimmungslage). Einzig die Nummern 1 bis 10 sind für mich ziemlich klar gesetzt. Und die Nr. 1 gehört nach meiner Einschätzung in die ewige Bestenliste der Rockmusik, und zwar gleich hinter „The Dark Side Of The Moon“.

© ProgPower-Festival

Wichtig ist mir, dass es sich hier wirklich um meine persönlichen „Top 50“ handelt. Ich habe nur solche Prog-Alben aufgelistet, die mich begeistert, bewegt oder geflasht haben. Manche dieser Werke würden wohl in keinem offiziellen Ranking auftauchen, aber für mich waren oder sind sie halt wichtig. Ein Beispiel: Für viele Leprous-Fans dürfte „Pitfalls“ nicht unbedingt das beste Album der Band sein (viel zu weichgespült), für mich jedoch hat es einen besonderen Stellenwert, weil es die quälende Leere der Depression thematisiert. Außerdem ist „The Sky Is Red“ ein Song für die Ewigkeit.

Stilistisch geht es in dieser Liste ziemlich bunt zu: mal Retro-Prog, mal Neo-Prog, mal Folk-Prog und auch mal Prog-Metal. Manche Bands sind mehrmals vertreten, wie Riverside oder Haken. Andere wiederum sind nur deshalb nicht öfter in der Liste, weil ihre besten Veröffentlichungen aus den 80er oder 90er Jahren stammen, wie dies etwa bei Dream Theater der Fall ist (zumindest nach meinem Geschmack).

Einige Prog-Bands werden übrigens entscheidend von christlichen Musikern geprägt, was man meist an den positiven Vibes der Musik bemerkt (Lifesigns, Southern Empire, Dave Bainbridge), sowie vereinzelt auch an den Texten (Neal Morse Band, Iona, Glass Hammer).

Eine Liste der besten Live-Acts würde bei mir anders aussehen. In einer solchen wären Riverside für mich die Nummer eins, gefolgt von der Neal-Morse-Band und Leprous (die Konzerte von Steven Wilson sind zwar perfekt, aber atmosphärisch nicht so der Bringer).

Anyone who has read my autobiography knows how important progressive rock music is to me. For a while it was my survival strategy to beam myself away and drown out the sick thoughts in my brain. This turned into a passion that continues to this day.
So it’s high time to publish my personal „Top 50“. These are 50 prog works that were all released in this century (so the old classics by Yes, King Crimson or Jethro Tull are missing from this list).
The order is in fact also a ranking, although I had a hard time with the individual placements – some positions are certainly interchangeable (depending on your mood). Only the numbers 1 to 10 are quite clearly set for me. And the No. 1 belongs in my estimation in the eternal best list of rock music, right behind „The Dark Side Of The Moon“.
Stylistically it is quite colorful in this list: sometimes retro-prog, sometimes neo-prog, sometimes folk-prog and also sometimes prog-metal. Some bands are represented several times, like Riverside or Haken. Others are not in the list more than once only because their best releases are from the 80s or 90s, as is the case with Dream Theater (at least to my taste).

By the way, some prog bands are decisively influenced by Christian musicians, which is mostly noticeable in the positive vibes of the music (Lifesigns, Southern Empire, Dave Bainbridge), as well as occasionally in the lyrics (Neal Morse Band, Iona, Glass Hammer).
A list of the best live acts would look different to me. In such a list Riverside would be number one for me, followed by Neal Morse Band and Leprous (Steven Wilson’s concerts are perfect, but atmospherically not that great).

© riversideband.pl

Jetzt aber los – und die Progheads unter Euch dürfen mir gerne einen Kommentar da lassen. Es würde mich freuen zu erfahren, wo Ihr Euch wiederfindet und wo nicht…

  • 50 Lucid Planet: Lucid Planet
  • 49 Marillion: F.E.A.R.
  • 48 Cosmograf: The Unreasonable Silence
  • 47 Pendragon: Men Who Climb Mountains
  • 46 Nova Collective: The Further Side
  • 45 Tool: Fear Inoculum
  • 44 Big Big Train: Folklore
  • 43 Anathema: We’re Here Because We’re Here
  • 42 Neal Morse Band: The Grand Experiment
  • 41 Astra: The Black Chord
  • 40 Glass Hammer: Lex Rex
  • 39 Porcupine Tree: Fear Of A Blank Planet
  • 38 Caligulas‘ Horse: Rise Radiant
  • 37 Lifesigns: Altitude
  • 36 Altesia: Embryo
  • 35 OK Goodnight: The Fox and the Bird
  • 34 Octavision: Coexist
  • 33 Syrek: Story
  • 32 The Flower Kings: Stardust We Are
  • 31 Iona: Another Realm
  • 30 Drifting Sun: Forsaken Innosence
  • 29 Mastodon: Hushed And Grim
  • 28 Between The Buried And Me: Coma Ecliptic
  • 27 Be’Lakor: Vessels
  • 26 Spocks Beard: Brief Nocturnes And Dreamless Sleep
  • 25 AVKRVST: The Approbation
  • 24 Dikajee: Forget Me Nots
  • 23 Kaipa: Sattyg
  • 22 Southern Empire: Another World
  • 21 Haken: Vector
  • 20 Riverside: Wasteland
  • 19 Jonas Lindberg: Pathfinder
  • 18 Opeth: Pale Communion
  • 17 The Tangent: Auto Reconnaissance
  • 16 Soen: Imperial
  • 15 Wheel: Moving Backwards
  • 14 TesseracT: War Ich Beeing
  • 13 Steven Wilson: The Raven That Refused To Sing
  • 12 Katatonia: The Fall Of Hearts
  • 11 Dave Bainbridge: To The Far Away
  • 10 Gazpacho: Fireworker
  • 09 The Pineapple Thief: Your Wilderness
  • 08 Pain Of Salvation: In The Passing Light Of Day
  • 07 Riverside: Second Life Syndrome
  • 06 Leprous: Pitfalls
  • 05 Haken: The Mountain
  • 04 IQ: The Road Of Bones
  • 03 Neal Morse Band: A Similitude Of A Dream
  • 02 Earthside: A Dream In Static
  • 01 Steven Wilson: Hand.Cannot.Erase.

Outtakes, Teil II: Borreliose der Seele

Hier noch ein Text, den ich aus dem Buchmanuskript gestrichen habe, da er an anderer Stelle hinreichend aufgenommen und erklärt wird:

„Borreliose der Seele

Diese Kapitel zu schreiben, hat mir eine Menge abverlangt. Und das nicht nur, weil die hier beschriebenen Gedanken und Handlungen so abgefahren und peinlich sind, sondern vor allem auch darum, weil die alten Gespenster meine Erinnerungen und Beschreibungen zum Anlass genommen haben, um erneut bei mir anzuklopfen. Darauf war ich nicht vorbereitet! Selbst die während meiner Psychotherapie erlernten Bewältigungsstrategien schienen auf einmal nicht mehr zu greifen. Eine Zeit lang hat mich das so fertig gemacht, dass ich mir von der Kassenärztlichen Vereinigung eine Liste mit freien Therapieplätzen besorgt habe. Die Angst vor der Angst kroch erneut in mir hoch: „Würde mich dieses Buchprojekt am Ende doch noch in den Wahnsinn treiben?“

Inzwischen bin ich wieder recht stabil, aber die letzten Wochen waren doch sehr intensiv und heftig für mich. Umso mehr hoffe ich natürlich, dass sich diese Mühe auch lohnt. Das wäre aus meiner Sicht schon dann der Fall, wenn ich ein wenig dazu beitragen könnte, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren und den Umgang mit den Betroffenen etwas zu entkrampfen.

Stellen Sie sich vor, jemand aus Ihrem Bekanntenkreis wurde von einer Zecke gebissen und erkrankt darauf hin an Borreliose. Da er bereits Lähmungserscheinungen hat, muss er sofort ins Krankenhaus, um dort behandelt und beobachtet zu werden. Wie reagieren Sie? Sie schnappen sich einen Blumenstrauß oder eine Tafel Schokolade und machen sich auf den Weg, um sie oder ihn zu besuchen. Ist doch eine Selbstverständlichkeit! Was aber, wenn die selbe Person aufgrund einer Bipolaren Störung in eine entsprechende Fachklinik muss? Werden Sie sich dann auch auf den Weg machen? Vermutlich eher nicht. Denn schon der Gedanke an eine Psychiatrische Klinik ist beunruhigend und verstörend. Wer geht schon gerne freiwillig in die „Klapse“? Und worüber sollten Sie dort reden? Darf man eine solche Krankheit überhaupt ansprechen? Und falls man sie anspricht, wie macht man das, ohne sein Gegenüber zu verletzen?

Die Begegnung und der Umgang mit psychisch Kranken ist für viele von uns schwierig – und ich kann das gut verstehen. Denn eine solche Erkrankung ist nicht so leicht zu greifen und oft auch nur schwer zu vermitteln. Bei einem Beinbruch weiß man wenigstens, woran man ist. Bei einer psychischen Erkrankung, wie zum Beispiel einer Depression, ist das viel schwieriger. Da gibt es eine Menge Fragen und auch manche Vorurteile: „Wie soll man einen Menschen verstehen, der einfach nicht aus dem Quark kommt? Ist so etwas denn wirklich eine Krankheit? Bräuchte er oder sie nicht einfach einen kräftigen Tritt in den Hintern, um wieder in die Spur zu kommen? Hat nicht jeder von uns mal irgendwann einen Durchhänger? So etwas geht doch wieder vorbei, da muss man doch nicht gleich zum Arzt rennen und Pillen schlucken, oder? Wie ist das überhaupt mit diesen Medikamenten gegen eine Depression: Wie und warum wirken die eigentlich? Oder wirken die vielleicht gar nicht und der Patient bildet sich das alles nur ein?“ Hier gibt es noch immer eine Menge Aufklärungsbedarf.

Um psychische Erkrankungen besser verstehen zu können, musste man sich früher durch trockene und schwer verständliche Fachbücher quälen. Doch das ist längst nicht mehr der Fall. So ist das beste Buch über Depressionen, das ich kenne, ein Bilderbuch: ein Bilderbuch für Erwachsene, das von einem Betroffenen gezeichnet und geschrieben wurde1. Darüber hinaus gibt es inzwischen eine Einführung in die verschiedenen Krankheitsbilder und ihre Therapiemöglichkeiten, die mit so viel Humor und Leidenschaft geschrieben ist, dass man dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte2. Es ist also heute sehr viel einfacher geworden, sich zu informieren.

Doch mehr noch als durch tausend Bücher lernen Sie durch die Begegnung und das Gespräch mit Betroffenen. Darum möchte ich Sie hier ermutigen, Ihre Scheu zu überwinden und Ihre psychisch erkrankten Freunde oder Bekannten so zu behandeln, als hätten sie eine Borreliose, eine Borreliose der Seele. Bitte gehen Sie nicht auf Distanz, sondern wenden Sie sich ihnen zu! Sie werden dadurch eine Menge lernen. Und für die Betroffenen ist ihre Nähe und Anteilnahme von unschätzbarem Wert. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.“

1Matthew Johnstone: „Mein schwarzer Hund: Wie ich meine Depression an die Leine legte“

2Manfred Lütz: „Irre! – Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen“

Outtakes, Teil I: Bad Herrenalb

Aus dem ursprünglichen Manuskript meines Buches habe ich einige Passagen gestrichen, da sie zum Verstehen meiner Biografie nicht zwingend notwendig waren und das Buch auch kürzer werden musste. Einige dieser Outtakes sind vielleicht aber dennoch interessant zu lesen. Darum hier zwei Erlebnisse aus meiner Zeit in der Klinik von Bad Herrenalb.

Einige Tage nach meiner Ankunft war ich auf dem Weg zu unserer Kerngruppe, als mir plötzlich schwindelig wurde. Zugleich fing mein Herz wie wild an zu rasen und ich bekam keine Luft mehr. Sofort stieg Panik in mir auf, was die Symptome leider nur noch verschlimmerte. Also lief ich nach draußen an die frische Luft. Dort habe ich mich dann in eine Ecke gekauert und hatte Todesangst. Ich dachte wirklich: „Jetzt ist es aus!“ Doch nach ein paar Minuten war ich immer noch am Leben und beruhigte mich langsam wieder. Deutlich verspätet kam ich dann in unserer Gruppe an und erzählte, was passiert war. Worauf mir Bernd, unser Therapeut erklärte, solche Panikattacken könnten im Laufe des therapeutischen Prozesses immer wieder mal vorkommen, sie seien aber nicht lebensbedrohlich. Am Besten sollte ich nicht versuchen, mich dagegen zu wehren, sondern mich darauf konzentrieren, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Das ganze würde dann von alleine wieder verschwinden. Ich war tierisch sauer auf Bernd. Vor allem darauf, dass er so tat, als sei so etwas völlig normal und weiter kein Grund zur Aufregung. Am liebsten hätte ich ihn angebrüllt: „Weißt du eigentlich wie beschissen sich das anfühlt? Ich habe gerade gedacht, ich krepiere. Und was machst du? Du sagst mir, ich soll mich nicht weiter aufregen. Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!“ Stattdessen aber habe ich überhaupt nichts gemacht: Weder gebrüllt noch irgendeinen Kommentar abgegeben. Schließlich wollte ich ja keinen Ärger mit meinem Therapeuten, also habe ich meine Wut wieder einmal runter geschluckt. Erst später habe ich begriffen, dass er froh gewesen wäre, wenn ich ihn angemotzt hätte. Er hatte dies geradezu provoziert, um mich aus der Reserve zu locken. Solche Panikattacken blieben aber nicht das einzige seltsame Phänomen, womit ich fertig werden musste. Drei Wochen später wurde es noch viel verrückter und bedrohlicher, denn da habe ich mich komplett weggebeamt…

Quelle: schwarzwaelder-bote.de

Mir wurde klar: Nicht alleine den Menschen in meinem Umfeld galt es zu vertrauen, sondern ebenso mir selbst. Ich war ja längst nicht mehr das arme, kleine, verlassene Baby, das hilflos in seinem Bettchen liegt und schreit. Inzwischen war ich ohne jeden Zweifel ein erwachsener Mann geworden, der schon viel erlebt und manche Herausforderung gemeistert hatte. Ich war jemand und konnte etwas – ich musste nur endlich an mich glauben. Was mir fehlte, war das Vertrauen in meine eigenen Ressourcen und Fähigkeiten. Je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr ärgerte ich mich über die zahlreichen vertanen Chancen in meinem Leben. Ich hatte kaum mal etwas gewagt und dementsprechend wenig gewonnen. Ich war der Typ, der immer auf Nummer sicher geht. Und das nervte mich inzwischen ganz gewaltig: „War es nicht höchste Zeit, mal wieder etwas ziemlich Abgefahrenes zu machen?“ Nur was? Nach ein paar Tagen kam ich schließlich darauf. Mein Zimmer lag im Erdgeschoss und hatte einen Balkon zur Straße hin. Die Hausfront der Klinik war mit seltsamen Steinen verziert, die innen ein Loch hatten. Hässlich, aber ideal, um daran hochzusteigen! Dieser Plan war die perfekte Mutprobe. Also habe ich am Abend Marcel aus dem fünften Stock angesprochen: „Pass mal auf, Marcel. Wenn es demnächst nachts an deine Balkontür klopft, dann krieg bitte keinen Herzinfarkt. Ich will unsere Hauswand hochklettern und irgendwo muss ich ja schließlich wieder rein, wenn ich oben bin.“ Dann kam die Nacht, in der ich wusste: „Jetzt oder nie!“ Als ich draußen an der Fassade hing und gerade am dritten Stockwerk angekommen war, spazierten unten doch tatsächlich Passanten vorbei. Und das nachts um 1.00 Uhr in so einem kleinen Kaff wie Bad Herrenalb. Da unsere Klinik sowieso schon als „Irrenhaus“ verschrien war, würden die vermutlich sofort die Feuerwehr alarmieren, wenn sie mich entdeckten. Aber das haben sie nicht. So kam ich schließlich ohne Probleme oben an, klopfte bei Marcel und war stolz wie Oskar, es geschafft zu haben. Ich war jemand und konnte etwas – wer oder was sollte mich jetzt noch aufhalten auf meinem Weg nach oben?

Alles Gute kommt von oben!

Es gibt einen Glauben, den ich Glauben „von unten“ nenne. Dieser Glaube ist nichts anderes als ein menschlicher Entschluss. So wie man sich dafür entscheidet, vegetarisch zu leben – und seine guten Gründe dafür hat – so entscheidet man sich eines Tages dafür, sich der Gemeinschaft der christlich Glaubenden anzuschließen. Und man lebt dementsprechend: tritt der Kirche bei, besucht regelmäßig die Gottesdienste, engagiert sich ehrenamtlich, spendet Geld.

Die Entscheidung, ab heute christlich zu glauben, kann aus ganz unterschiedlichen Motiven getroffen werden. Männer tun dies manchmal, wenn sie sich in eine Frau verliebt haben, die christlich glaubt. Frauen tun dies, weil sie eine Gemeinschaft von Christinnen kennen gelernt haben, in der sie sich wohl fühlen. Rationale Menschen entscheiden sich für den christlichen Glauben, wenn sie zu der Erkenntnis kommen, dass die Argumente dafür einleuchtend sind. Emotionale Typen entscheiden sich für diesen Glauben, weil sie an irgendetwas glauben wollen und das Christliche ihnen nun einmal am Nächsten liegt. Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeitsstruktur lassen sich leicht zum christlichen Glauben überreden – schließlich wollen sie niemanden enttäuschen und so trauen sie sich nicht, „nein“ dazu zu sagen.

All diesen Beispielen ist eines gemeinsam: Es handelt sich hier jeweils um einen Glauben von unten. Wobei ich mit der Bezeichnung „von unten“ in diesem Zusammenhang keineswegs ausdrücken will, dass er dämonischen Ursprungs ist. Darum geht es hier nicht! Es geht schlicht um die Tatsache, dass dieser Glaube ein rein menschliches Werk ist, das ohne jede göttliche Einwirkung auskommt.

Der Apostel Paulus erwähnt in seinem Brief an die Korinther einen solchen Glauben von unten; einen Glauben, der nicht auf göttlicher Kraft, sondern auf Menschenweisheit beruht. In Bezug auf seine christliche Verkündigung schreibt Paulus (1. Korinther 2, 4-5): „Mein Wort und meine Botschaft wirkten nicht durch Tiefsinn und Überredungskunst, sondern weil Gottes Geist sich darin mächtig erwies. Euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf die Kraft Gottes.“

Am Glauben von unten ist nun wahrlich nichts Verwerfliches. Er kann aus fiesen Kerlen bessere Menschen machen und vermittelt Hoffnung, wo bislang alles hoffnungslos erschien. Gab es vor Jahren eine Zeit, in der man munkelte, dass der christliche Glaube krank machen könne, so ist heute allgemein anerkannt: Es ist gut, wenn der Mensch glaubt. An etwas zu glauben wirkt sich (in der Regel) positiv auf die Psychohygiene aus.

Und so ist der christliche Glaube, der von unten kommt, sicherlich besser als gar kein Glaube. Dennoch ist er nicht das Eigentliche.

Denn ihm gegenüber steht der Glaube, der von oben kommt. Bei ihm handelt es sich um eine göttliche Offenbarung. Also um einen Glauben, der „von oben“ geschenkt wird durch den Heiligen Geist. Jesus spricht davon in seiner Unterredung mit Nikodemus: „Amen, ich versichere dir: Nur wer von oben her (griechisch: „anoten“) geboren wird, kann Gottes neue Welt zu sehen bekommen“ (Johannes 3, Vers 3). Ein solcher Glaube ist nicht das Ergebnis menschlicher Überredungskunst, sondern gründet sich auf die Kraft Gottes. Er ist die Folge einer göttlichen Einwirkung: Der Heilige Geist öffnet dir die „Augen des Herzens“ und du erkennst, dass das Evangelium wahr und Christus real ist: Jesus Christus lebt, er ist für dich gestorben und auferstanden. Du kannst ihm dein Leben anvertrauen.

Um es mit einem Bild zu vergleichen: Es ist wie mit einem wunderschönen Kirchenfenster. Bislang hast du dieses Fenster stets von außen betrachtet. Du hast zwar etwas sehen können, aber das, was du gesehen hast, war nicht das Eigentliche. Die Pracht der Farben blieb dir verborgen. Nun aber, durch die Offenbarung Gottes, wird dir eine neue Perspektive geschenkt. Der Heilige Geist hat dich von außen in das Innere der Kirche versetzt und jetzt kommst du aus dem Staunen nicht mehr heraus: Das alles hattest du bislang nicht sehen können. Jetzt aber, von innen betrachtet, erstrahlt das Fenster in den herrlichsten Farben.

In dem genannten Beispiel ist der Mensch natürlich jederzeit in der Lage, diesen Perspektivwechsel selbst herbei zu führen (es sei denn, die Kirche ist wieder einmal abgeschlossen). Doch in der Welt des Glaubens geht das nicht. Der Mensch ist diesbezüglich vollkommen machtlos, er kann sich selbst nicht zum Glaubenden machen. Er braucht Offenbarung. Darum ist der christliche Glaube ein Geschenk (vgl. Philipper 1, 29), und zwar ein Geschenk von oben. Im Jakobusbrief heißt es (Jakobus 1, 17-18): „Lauter gute Gaben, nur vollkommene Gaben kommen von oben („anoten“), von dem Schöpfer der Gestirne. … Aus seinem freien Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit, durch die Gute Nachricht, ein neues Leben geschenkt.“

Nun ließe sich hier einwenden: „Man darf den Glauben von unten und den von oben auf diese Art und Weise nicht gegenüber stellen. Man darf sie nicht gegeneinander ausspielen. Denn in Wahrheit handelt es sich nicht um Alternativen, sondern um ein- und denselben Glauben, der nun einmal zwei Seiten hat: eine menschliche und eine göttliche Seite.“

Doch fallen diese beiden Seiten zwingend zusammen? Sind der menschliche und der göttliche Glaube wirklich immer zwei Seiten ein- und derselben Medaille? Nach meiner Überzeugung sind sie es nicht. Meine These lautet:

Es gibt einen Glauben von unten, der im Menschlichen stecken bleibt, und diesem Glauben fehlt die göttliche Kraft!

Ja mehr noch: Es gibt auch Gemeinschaften von christlich Glaubenden, denen die göttliche Kraft fehlt. Es gibt Kirchen und Gemeinden von unten, die sich von anderen Institutionen und Vereinen durch nichts unterscheiden. Ihnen fehlt die Weisheit, die von oben kommt, die göttliche Weisheit:

Wenn ihr … bittere Eifersucht und Streit in euren Herzen hegt, dann rühmt euch nicht eurer Weisheit und verdreht damit die Wahrheit! Diese Art von Weisheit kommt nicht von oben (wieder das griechische „anoten“), sie ist irdisch, sinnlich und teuflisch. Wo Eifersucht und Streit herrschen, gibt es Unordnung und jede Art von Gemeinheit. Aber die Weisheit von oben ist zuerst einmal rein und klar; sodann ist sie friedliebend, freundlich, nachgiebig. Sie ist voller Erbarmen und bringt viele gute Taten hervor“ (Jakobus 3, 14-17).

Eifersucht und Streit herrschen nicht nur in der Piratenpartei oder beim FC Schalke 04 (eine zufällige Auswahl), sondern auch in den Freikirchen und Kirchen, die von unten gebaut wurden!

Alleine der Glaube, der von oben kommt

  • vermag das Herz mit göttlicher Freude zu erfüllen,

  • befreit zu einem Leben nach dem Willen Gottes,

  • trägt durch, wenn alle menschlichen Möglichkeiten versagen.

Und alleine die Weisheit, die von oben kommt

  • befähigt, einander in Liebe und Wahrheit zu begegnen,

  • schenkt Gemeinschaft von einzigartiger (göttlicher) Qualität,

  • ermöglicht Liebe und Erbarmen, wo vorher Eifersucht und Streit regierten.

Alles Gute kommt von oben. Kommt es nicht von oben, so ist es nicht gut, zumindest ist es nicht göttlich gut. Es bleibt im Menschlichen stecken und ist somit kraft- und saftlos.

Wenn das stimmt (wovon ich persönlich überzeugt bin), dann will ich all mein Suchen und Sehnen, all mein Bitten und Flehen, all meine Leidenschaft und alle meine Erwartungen nach oben richten! Die Kraftlosigkeit meines Glaubens, der Mangel an Vollmacht, der viele Zoff in den Kirchen (auch in den Freikirchen, die doch so viel besser sein wollen), die ganze lächerliche Armut des sogenannten Christentums in Westeuropa – dies alles kann nur von oben her verändert und erneuert werden: alleine durch ein Eingreifen Gottes, durch seinen Heiligen Geist.

Zehn teuflische Sekunden

Es waren nur zehn teuflische Sekunden.

Zehn Sekunden im Herzen irgendeines Verkündigers – vor langer, langer Zeit.

Petrus kann es nicht gewesen sein. Denn der ist an seinen frommen Vorsätzen dermaßen gescheitert, dass er für den Rest seines Lebens aus der Gnade gelebt hat. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Nein, Petrus war es nicht. Aber irgendjemand nach ihm.

Vielleicht war es ja einer, der noch nie gescheitert ist. Einer von den Typen, die von Sieg zu Sieg eilen. Solche Menschen neigen dazu zu glauben, ihnen sei alles möglich und die ganze Welt stehe ihnen offen.

Aber das ist nicht sehr wahrscheinlich. Vermutlich handelt es sich einfach um eine teuflische Lüge, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, um das Herz eines ernsthaften Predigers zu vergiften. Ich stelle mir das so vor:

Da sitzt er in seinem Studierzimmer und bereitet eine Predigt zu – sagen wir Römer 12, 9 bis 21 – vor. Vers für Vers geht er die dort formulierten Anweisungen durch:

  • Seid herzlich und teilnahmsvoll.
  • Begegnet einander mit Respekt.
  • Lasst euren Alltag vom Gebet geprägt sein.
  • Nehmt Anteil an den Notlagen anderer Menschen.
  • Seid gastfreundlich.
  • Segnet die Menschen, die Euch verfolgen.
  • Seid bereit, auch niedrige Aufgaben zu übernehmen.
  • Zahlt niemandem Böses mit Bosheit zurück.
  • Soweit Euch das möglich ist, lebt mit allen Menschen im Frieden.
  • Übt nicht selbst Rache für Euch aus.
  • Gebt den Hungrigen zu Essen und den Durstigen zu Trinken.
  • Lasst Euch nicht vom Bösen besiegen, sondern besiegt das Böse mit dem Guten.

Er macht sich hier und da Notizen und staunt über die Wucht der göttlichen Standards.

Vielleicht wäre es anders gelaufen, hätte er den kompletten Römerbrief gelesen. Dann wäre ihm wohl auch ein Vers wie dieser nicht verborgen geblieben: „Kein einziger Mensch kann sich selbst aufgrund seiner eigenen Taten vor Gott gerecht machen. Denn das Gottesgesetz mach deutlich, was Sünde wirklich ist.“ (Römer 3, Vers 20).

So aber hatte der Vater der Lüge ein leichtes Spiel. Zehn teuflische Sekunden reichten aus.

In diesen zehn Sekunden schoss es ihm durch den Kopf und wanderte in sein Herz: „So muss ich sein, jetzt und hier, ohne Abstriche. Bin ich es nicht, bin ich verloren!“

„So muss ich sein, jetzt und hier!“. Mit diesem Anspruch, unter dieser Last beginnt er damit, seine Predigt zu formulieren. Und sie wird richtig gut. Geistreich, witzig und voller praktischer Beispiele. Eine Predigt, die man gerne hört.

Während er also die göttlichen Standards vor seiner Gemeinde verkündigt vermeidet er tunlichst jegliches Anzeichen einer eigenen Schwäche. Stattdessen garniert er seine Ausführungen immer wieder mit Berichten über sein erfolgreiches Gebetsleben, seine Nächsten- und Feindesliebe, seine Gastfreundschaft, sein soziales Engagement. Nicht ohne Wirkung auf seine Zuhörer.

Aufgrund dieser Predigt setzt sich in vielen Hörern der Eindruck fest: „Der hat es geschafft, der hat es erreicht. Der ist bereits da, wo wir erst noch hin müssen. Und wenn er das geschafft hat, dann können wir das auch. Dann ist ein Scheitern nicht vorgesehen. Dann gibt es nur Ganz oder Gar nicht.“

So wandert diese Lüge von Herz zu Herz, sie verbreitet sich wie ein Lauffeuer: „So muss ich sein, jetzt und hier, ohne Abstriche. Bin ich es nicht, bin ich verloren!“

Langsam aber stetig findet in der Gemeinde ein Klimawandel statt: aus einer Gemeinschaft der Sünder wird eine geistliche Elitetruppe. Immer mehr Geschwister spielen sich- und den anderen etwas vor. Man tut so, als wäre man schon angekommen.

Währenddessen ist unser Prediger zum viel gefragten Referenten geworden. Seine rhetorische Brillianz verbunden mit seinem siegreichen geistlichen Leben haben sich schnell in den frommen Kreisen herumgesprochen. Und so predigt er auf zahlreichen Konferenzen und bei diversen Großveranstaltungen.

Die Zeit wird knapper, die Ansprüche höher, der Druck immer größer. Also greift er schon mal zur Flasche, um sich zu beruhigen. Der Rausch hilft ihm dabei, von seinem sieghaften geistlichen Leben zu erzählen. Außerdem lügt er ja niemanden bewusst an. Er setzt halt nur an den geeigneten Stellen eine Betonung und lässt anderes aus. Den Rest machen seine Hörer. Die hören, was sie hören wollen. Was kann er dafür?

Der Absturz kommt dann plötzlich. Während einer Predigt kippt er einfach um. Liegt da vor der entsetzten Gemeinde und kommt nicht mehr hoch. Dann das Krankenhaus, die Entgiftung, die Klinik.

Anfangs rauscht es im christlichen Blätterwald. „Wie konnte so etwas nur passieren? Warum hat man das nicht viel früher gemerkt? Was hat er wohl falsch gemacht?“ Doch mit der Zeit gerät unser Verkündiger mehr und mehr in Vergessenheit. Für ihn ist das gut so. Er braucht jetzt Zeit, um sein Leben zu ordnen.

Und die Gemeinde?

Sie hätte die Chance, sich auf das zu besinnen, was wirklich trägt und hält: auf die göttliche Gnade. Doch leider gibt es da schon andere Verkündiger, die bei ihrem gescheiterten Vorgänger in die Lehre gegangen sind. Jahrelang haben sie unter seinen Predigten gesessen. Nach wie vor sind sie davon überzeugt: „So muss ich sein, jetzt und hier, ohne Abstriche. Bin ich es nicht, bin ich verloren!“

Und so setzt sich dieses teuflische Spiel fort. Es ist ein Kommen und Gehen, ein Aufsteigen und Abstürzen. Bis heute.

Und das alles wegen zehn teuflischer Sekunden – vor langer, langer Zeit.

Darum muss es Zweifel geben

Quelle: www.pixabay.com

Vor Jahren war ich auf einem Seminar für Verlobte. Da stand eine junge Frau auf und betonte: „Mein Verlobter und ich, wir haben uns in unserer einjährigen Verlobungszeit noch nie gestritten.“ Worauf der Referent besorgt antwortete: „Das tut mir Leid, denn dann habt Ihr ein ernsthaftes Problem!“

Und wenn mir heute jemand sagt: „Ich bin jetzt schon seit vielen Jahren Christ, habe aber noch niemals Zweifel gehabt“, dann würde ich ihm exakt dasselbe antworten: „Das tut mir Leid, denn dann hast Du ein ernsthaftes Problem!“

Den Wert der Gesundheit erkennst Du erst durch die Schmerzen der Krankheit.

Der Zauber des Lichts entfaltet sich nur in der Dunkelheit (einzigartig zu erleben im Gasometer Oberhausen).

Oder etwas profaner formuliert: Würde der FC Bayern in dieser Saison wieder Deutscher Fußballmeister werden, dann wäre das nichts Besonderes mehr. Sollte aber der VfL Bochum jemals Meister werden, dann wäre das eine (noch nie dagewesene) Sensation.

Unser Leben besteht aus zahlreichen Gegensätzen und ohne diese Gegensätze wäre alles gleich gültig und damit gleichgültig. Das Leben wäre so spannend wie eine Bundesstraße in Norddeutschland: keine Höhen und Tiefen, keine Kurven und als Aussicht gibt’s immer nur Felder, Felder und noch mal Felder. Auf einer solchen Straße kämpfst Du schon nach fünf Minuten gegen den Schlaf.

Darum gehören Zweifel zum Glauben dazu! Sie sind gewissermaßen der dunkle Hintergrund, vor dem sich der Glaube als ein einzigartiges Geschenk entfaltet.

In 2. Kor. 4, Vers 6 schreibt Paulus: „Gott, der sprach: >>Aus der Dunkelheit soll das Licht hervorleuchten!<<, der hat es in unseren Herzen hell werden lassen.“

Doch dieses Licht strahlt nicht immer gleichmäßig. Es gibt auch Zeiten, in denen sich die alte Dunkelheit im Herzen breit machen will.

So jedenfalls erlebe ich das:

„Du bist die Hilfe, die nie zu spät kommt“ ist eine Liedzeile, die ich bis heute nicht mitsinge. Denn ich kenne Menschen, für die jede Hilfe zu spät kam (zumindest aus meiner irdischen Perspektive, die ich nun einmal habe).

Manchmal frage ich mich mit Forrest Gump, ob ich vielleicht doch nur wie ein Blatt im Wind bin, das mal hierhin- mal dorthin gewirbelt wird. Vielleicht aber hat ja auch die Mutter von Forrest Gump recht, die immer gesagt hat: „Wenn Gott vor Dir eine Tür zuschlägt, dann macht er gleichzeitig eine andere für Dich auf“. Oder stimmt etwa beides gleichzeitig?

Ich kann Asaf gut verstehen, der in Psalm 73 betet: „Ich aber wäre fast zu Fall gekommen. Beinahe hätte ich den Boden unter den Füßen verloren. Denn ich habe die stolzen Menschen beneidet, als ich sah, wie gut es ihnen trotz ihrer Bosheit ging“ (Verse 2-3).

Und ich fühle mit Thomas mit, von dem es im Evangelium nach Johannes heißt: „Thomas war nicht dabei, als Jesus (als der Auferstandene) kam. Die übrigen Jünger erzählten ihm: >>Wir haben den Herrn gesehen!<< Doch er erwiderte: >>Das glaube ich nicht, es sei denn, ich sehe die Wunden von den Nägeln in seinen Händen, berühre sie mit meinen Fingern und lege meine Hand in die Wunde an seiner Seite.<< (Joh.20, 24-25).

Diese Zweifel sind nicht immer da. Aber von Zeit zu Zeit krabbeln sie aus ihren Verstecken, um mir zuzusetzen – je nachdem, was ich gerade erlebt habe.

Früher habe ich mich meiner Zweifel geschämt. „Als Christ darf man nicht zweifeln!“. Wörtlich gesagt hat das vielleicht niemand, aber ausgestrahlt haben das manche.

Heute weiß ich: Gerade vor dem Hintergrund meiner Zweifel wird das Geschenk des Glaubens umso wertvoller!

Ich glaube eben nicht, weil alles so eindeutig dafür spricht, dass ich gar nicht anders kann.

Sondern ich glaube trotz- und mit allen Fragen und Zweifeln, die neben allen Argumenten für den Glauben und allen positiven Glaubenserfahrungen eben auch da sind.

Es gibt Zeiten, in denen ich nur so strotze vor Glaubenskraft. Da wundere ich mich dann ernsthaft, warum es in dieser Welt überhaupt noch Atheisten oder Zweifler gibt.

Ich kenne aber auch andere Zeiten: Phasen, in denen mein Glaube stark ins Wanken gerät. Zeiten, in denen ich mit Gott ringe und doch nicht von ihm loskomme.

In solchen Zeiten halte ich mich an Asaf, der in Psalm 73 betet: „Dennoch bleibe ich stets bei Dir, denn Du hast meine rechte Hand gefasst“ (Vers 23).

Denn wie könnte ich jemals den Gott loslassen, der mich in seiner Liebe ergriffen hat?

Kurzum: Ohne Zweifel wäre der Glaube kein Vertrauen, sondern das eindeutige und zweifelsfreie Ergebnis einer empirischen Untersuchung. Einmal vorgelegt würde sie jeden überzeugen, der noch klar bei Verstand ist.

Aber in- und mit allen Zweifeln ist der Glaube ein Ergriffensein von dem, der mich durch seinen Geist ergriffen hat. Er ist ein einzigartiges, wunderbares, hell strahlendes Geschenk inmitten der Dunkelheit. (Dass der Glaube ein Geschenk ist, findet sich wörtlich in Philipper 1, Vers 29).

Zurück zu den Gegensätzen:

Die Freude braucht die Trauer, um Freude sein zu können.

Die Tatkraft braucht die Müdigkeit, um Tatkraft sein zu können.

Der Erfolg braucht zahlreiche Misserfolge, um noch gefeiert zu werden (wie beim VfL Bochum).

Und das Licht braucht die Finsternis, um strahlen zu können.

Genauso braucht der Glaube den Zweifel, um nicht zu einer Schlussfolgerung zu verkommen.

Darum muss es Zweifel geben!

Der Greifreflex der Seele

Wenn Babys geboren werden, dann bringen sie einige Reflexe mit, die ihnen das Überleben sichern sollen. Zu diesen gehört neben dem Schlucken und Saugen auch der Greifreflex. Übt man etwas Druck auf ihre Handinnenfläche aus, so greifen ihre klitzekleinen Fingerchen zu und klammern sich fest.

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Angesichts ihrer eigenen Schutzlosigkeit und Abhängigkeit bringen Neugeborene also die Fähigkeit mit, sich dort festzuklammern, wo es für sie Halt und Sicherheit gibt.

Ich bin fest davon überzeugt: Nicht nur unser Körper bringt solch einen Greifreflex mit, sondern auch unsere Seele.

Denn angesichts einer Vielzahl von unbeantworteten existentiellen Fragen sind wir in unserer Seele ebenso schutzlos und abhängig wie ein Baby, und seien wir auch noch so alt: „Was ist der Sinn meines Lebens? Hat das alles überhaupt einen Sinn? Bin ich ein Zufallsprodukt? Hat mein Leben ein Ziel? Wo finde ich ein tragendes Fundament angesichts von Schmerzen und Leiden? Was wird am Ende wirklich zählen? Was kommt nach dem Tod? Wie kann Schuld gesühnt werden? Und gibt es Vergebung für meine Schuld? Wer sagt uns eigentlich, was gut und richtig ist? Woher kommt das Böse in der Welt?“

Solche Fragen werden nicht immer ausgesprochen, aber sie sind da, treiben uns um, verunsichern und ängstigen. Und angesichts dieser Hilflosigkeit hat die Seele einen Greifreflex entwickelt. Sie klammert sich (oft unbewusst) an etwas fest, was ihr den erhofften Sinn und Halt geben soll.

Manchmal klammert sich unsere Seele an den Partner: „Du sollst der Sinn meines Lebens sein.“ Doch der Partner ist mit diesem Anspruch überfordert und erstickt darunter. Die Beziehung zerbricht.

Ein anderes Mal klammert sie sich an das gerade vorherrschende Schönheitsideal und an das Streben nach körperlicher Kraft, Fitness und Unversehrtheit. Das kann einige Jahre gut gehen. Doch es kommt die Zeit, in der sie die Erfahrung macht, dass Alter und Krankheit sich nicht aufhalten lassen.

In anderen Phasen unseres Lebens klammert sich die Seele an den Beifall und die Anerkennung anderer Menschen. Bis sie schließlich schmerzlich erkennen muss, dass Anerkennung nur ein Abglanz von dem ist, was Liebe zu geben vermag: Anerkennung erfährst du für das, was du tust. Liebe aber liebt dich, weil du bist!

Sehr gerne klammert sich unsere Seele an materiellen Besitz. Denn er vermittelt uns das Gefühl, abgesichert und versorgt zu sein. Und oft wird gerade dieser Klammergriff zu einem Krampf, der sich kaum noch lösen lässt. Menschen, die bereits viel haben, wollen immer noch mehr. Auf dem Sterbebett lassen sie dann alles zurück (sie vererben ihr Vermögen den Kindern, die sich wiederum daran klammern).

Christus hat diesen Greifreflex der Seele einmal so beschrieben (im Evangelium nach Matthäus, Kapitel 4, Vers 4): „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein!“

Das Irdische reicht ihm nicht, um zu leben. Reichtum und Besitz, körperliche Kraft und Fitness, Erfolg und Anerkennung – das alles kann seiner Seele nicht den erhofften Halt geben. Es stellt sich kein innerer Friede ein.

Woran aber soll sich die Seele klammern? Wen oder was könnte sie ergreifen? Wovon lebt denn der Mensch, wenn nicht „vom Brot alleine“?

Noch einmal Christus (in Mt.4, 4): „In Wirklichkeit ist er ganz abhängig davon, dass Gott sein lebendig machendes Wort ausspricht.“

Das größte und herrlichste Geschenk, das einem Menschen jemals widerfahren kann, ist nicht der Traumpartner, nicht der Nobelpreis, nicht der Lottogewinn und nicht einmal jahrelange körperliche Unversehrtheit (zweifelsohne ein hohes Gut).

Das größte und herrlichste Geschenk, das einem Menschen jemals widerfahren kann ist, vom Wort Gottes in der eigenen Seele berührt zu werden.

Gott berührt dich mit seinem Wort und deine Seele greift zu. Sie klammert sich an Christus, den Sohn Gottes: gestorben und auferstanden, um dich mit Gott zu versöhnen!

Versöhnt mit Gott kommt die Seele zur Ruhe. Verbunden mit Christus lösen sich die zahlreichen anderen Klammergriffe. Das Leben beginnt, sich mit Leben zu füllen! Eine nie gekannte innere Freiheit entsteht:

Freiheit von den unrealistischen Erwartungen an den Partner, Freiheit von der Anerkennung und den Beifall anderer Menschen, Freiheit vom Streben nach materiellem Besitz, Freiheit vom Ideal körperlicher Unversehrtheit, Freiheit von stofflichen und nichtstofflichen Süchten, Freiheit von Kontrollzwängen und der Illusion, das eigene Schicksal in der Hand zu halten.

Du wirst frei, um zu leben, frei um zu loben, frei um zu lieben!

Das Wort Gottes ist eine unvergleichliche einzigartige Kraft. Es führt hinein in eine Lebensdimension, die sich niemals verbraucht, die ewig hält und trägt.

Wen der Sohn Gottes frei macht, der ist wirklich frei!“ (Johannes 8, Vers 36)

Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird bis in die Ewigkeit hinein nie mehr von Durst gequält werden. Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zu einer Quelle werden, die immer weiter sprudelt, bis in das unbegrenzte, ewige Leben hinein.“ (Johannes 4, Vers 14)

Mensch, wehr dich doch!

Über viele Jahre hinweg habe ich anderen Menschen gestattet, meine Grenzen zu verletzen und mir „auf die Füße zu treten“, ohne mich dagegen zu wehren oder wenigstens mal „autsch“ zu rufen. Ein kurioses Beispiel ist das folgende Erlebnis im Supermarkt. Ist schon ein paar Jahre her, aber ich erinnere mich noch sehr gut daran:

Ich stand mit meinem Junior an der Kasse. Das heißt, nur ich stand. Der Kleine saß im Einkaufswagen und grabbelte an den Verpackungen herum. Mit einer Hand versuchte ich, meine Einkäufe auf das Band zu befördern und mit der anderen, meinen Sohn daran zu hindern, kleine Löcher in die Deckel der Joghurtbecher zu stoßen. Da fährt mir mein Hintermann in die Hacken. Ich schaue mich um und sehe einen kleinen etwas buckeligen Opi, dessen Augen mich anfunkeln. Aber er sagt nichts, keinen Ton. Also kümmere ich mich wieder um meine Einkäufe. Da passiert es ein zweites Mal. Schon wieder habe ich seinen Wagen in meinen Fersen, dieses Mal aber etwas heftiger. Erneut drehe ich mich um. Geht’s noch etwas langsamer, oder was?“ Da begreife ich plötzlich, dass mir der Alte absichtlich in die Hacken fährt. Meine erste Reaktion ist Wut: „Hör mal zu, du kleiner alter Scheißer. Wenn du mich noch einmal berührst, dann quetsche ich deinen faltigen Hintern in den Kindersitz deines Einkaufswagens und fahre mit dir zum nächstbesten Baggersee, um dich samt deinen Corega Tabs dort zu versenken!“ So ungefähr stelle ich mir meine Antwort vor. Doch die kommt nicht. Stattdessen schlucke ich meinen Ärger herunter und höre ich mich sagen: „Entschuldigung, ich mach ja schon so schnell, wie’s geht.“

Ist das zu fassen? Wo kommt so etwas her?

Ich will mich hier angemessen kurz fassen: Der Hintergrund eines solchen Verhaltens ist eine „abhängige Persönlichkeitsstruktur“. Aufgrund mangelnder Selbstannahme war ich ständig von der Annahme und Anerkennung anderer Menschen abhängig. Darum musste ich – wenn irgend möglich – jegliche Form eines Konfliktes vermeiden.

Nun birgt die jahrelange Ansammlung von Erniedrigungen allerdings ein großes Problem: Das Selbstwertgefühl tendiert gegen Null (als Puls wäre es nicht mehr messbar) und zugleich steigt der Pegel angestauter Aggressionen bedrohlich an. Wenn das Maß dann schließlich voll ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder du explodierst und rastest aus, oder du implodierst und richtest deine Aggressionen gegen dich selbst. Typen wie ich wählen wohl eher den zweiten Weg (Gott sei Dank!). So wurde ich mit der Zeit immer depressiver und litt unter Ängsten und Panikattacken.

Erst in der Klinik habe ich begonnen zu begreifen, dass ich das Recht habe, mich abzugrenzen und zu schützen. Und ich habe erste vorsichtige Versuche unternommen, dies auch zu tun. Zehn Jahre sind seit dem vergangen und inzwischen habe ich eine Menge dazugelernt. Zwar bin ich auch heute noch kein Wunder an Selbstbehauptung, aber ich bin doch mehr und mehr in der Lage, für mich einzustehen und dafür auch Konflikte zu riskieren.

Und das fühlt sich richtig gut an! So gut, dass ich um nichts in der Welt mit meinem alten Harmoniebedürfnis tauschen wollte. Immer deutlicher bekomme ich jetzt ein individuelles Profil. Und das hat zur Folge, dass mich manche Leute mögen und andere wiederum nicht. „So what?“ Andersherum ist es ja genauso: Manche Menschen mag ich sehr, andere wiederum gehen mir gehörig auf den Zeiger und ich gehe ihnen lieber aus dem Weg. Das ist ganz normal.

Eine Anmerkung noch zum Schluss: In christlichen Kreisen werden ein krankmachendes Harmoniebedürfnis und mangelnde Konfliktfähigkeit leider oft als besonders geistlich gedeutet: als eine besondere Form von christlicher Demut. Das ist aber ganz und gar nicht der Fall. Denn demütig kann nur der Mensch sein, der auch mutig ist. Aber dazu später mehr.

An dieser Stelle ist mir nur eins wichtig: Mensch, wehr dich doch! Fang an, dich ernst zu nehmen und mach dich nicht zum Fußabtreter anderer Leute. Sei es dir wert, Konflikte einzugehen und schütze deine einzigartige Persönlichkeit! Und wenn du alleine dazu nicht in der Lage bist, dann suche dir kompetente Hilfe! Das ist zwar kein einfacher Weg, aber einer, den du nie bereuen wirst.

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